Melba Recordings

"... a label of fragrant distinction"

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The Art of Nance Grant

01/11/2012
Das Opernglas (Germany)
Thomas Baltensweiler

Entdeckungsfreudige Melomanen pflegen sich mithilfe von Rundfunkaufzeichnungen und Piratenaufnahmen individuell einen Kreis von Sängern zusammenzustellen, die, selbst wenn sie kaum bekannt sind, zumindest im Wohnzimmer des jeweiligen Plattensammlers als Stars anerkannt werden. Nance Grant dürfte hierzulande kaum jemandem ein Begriff sein – aber sie hat das Zeug dazu, ein solcher „heimlicher“ Star zu werden. Der Grund, weshalb man die Sopranistin, die ihren Karrierehöhepunkt in den 1970er-Jahren erlebte, kaum zur Kenntnis genommen haben dürfte, besteht darin, dass sie das Tätigkeitsfeld auf ihre australische Heimat beschränkt hatte. Ein Doppelalbum des Labels „Melba“ präsentiert die Sängerin in – technisch lieder fragwürdigen – Ausschnitten aus Idomeneo, Fidelio, Maria Stuarda, Tannhäuser, Die Walküre und Ariadne auf Naxos sowie mit zahlreichen Liedern insbesondere von Richard Strauss und Richard Wagner. Letztere bildeten den Schwerpunkt von Nance Grant Wirken.       

Der Dirigent Edward Downes hatte Grant entscheidend gefördert. Er holte sie als Gastsolistin nach Sydney – mehr wäre für die in Melbourne wohnhafte Sängerin aus familiären Rücksichten nicht in Frage gekommen – und lenkte ihre Karriere in Richtung dramatisches Fach, obschon Grant an leichteren Belcanto-Partien gehangen hatte. Als sie 1972 in Sydney als Marschellin im Rosenkavalier besetzt wurde, war ihr das Werk noch gänzlich unvertraut, und auβerdem fragte sie sich, ob jemand realisierte habe, dass sie zuvor noch nie eine Hauptrolle gesungen hatte. Aber auch wenn sie keine einschlägigen Erfahrungen mitbrachte: An der richtigen Stimme mangelte es ihr nicht. In Ariadne (auf Englisch) hört man ein volles, ja üppiges Organ, das in der Höhe schön aufblüht und weite Bögen satt zu spannen weiβ. Und in der Hallenarie aus dem Tannhäuser erlebt man einen resonanzreichen, in der Tiefe fest verankerten, in der Höhe strahlenden Jubelton – eine exemplarische Leistung ebenso wie die Fidelio Arie. Den beiden CDs nach zu schleiβen, war Nance Grant Besitzerin einer der bedeutenderen Stimmen des 20. Jahrhunderts und zudem eine hochmusikalische Sängerin, die gut intonierte und sich auch in dramatischer Musik auf die Kunst des Legatos verstand.

Vielleicht hätte künstlerisch noch mehr aus ihr werden können, wenn sie Gelegenheit gehabt hätte, stärker mit international tätigen Partnern und Dirigenten zu arbeiten. Denn in den Wesendonck-Liedern etwa lässt sie eine Diktion hören, bei der kaum ein Wort zu verstehen ist und in der die Vokale auf so schwerwiegende Art verfärbt sind, dass der Klangcharakter insgesamt sich verländert. In der Diskrepanz von vokaler Opulenz und interpretatorischer Provinzialität erinnert Grant etwas an die Österreicherin Gertrude Grob-Prandl (die freilich mit noch mehr Stimmvolumen aufwartete). Die Orchesterbegleitungen kommen ebenfalls nicht über provinzielles Niveau hinaus, obwohl Edward Downes und Leif Segerstam unter den Dirigenten zu finden sind; und auch von Geoffrey Parsons am Klavier gehen lieder wenig Impulse aus.